• Selbst denken

Selbst denken oder „selbst denken?”

Ein Freund von mir hatte eines Tages ein Haus geerbt, welches er seit Antritt dieses Erbes seit nunmehr ca. 25 Jahren (!) renoviert. Als er damals die Decke seines Wohnzimmers mit grauen Holzpaneelen verkleidete, sprachen wir über die Farbe der Paneele. Ich fragte ihn interessehalber, warum er die Decke grau gemacht hatte. Er erwiderte mir, dass das kein Grau sei, sondern Weiß. Ich richtete meinen Blick nach oben an die neu verkleidete Decke und unter Berücksichtigung der herrschenden Lichtverhältnisse sah ich eine eindeutig graue Decke. Ich sagte dann, dass das doch Grau sei und kein Weiß, aber er blieb dabei, es sei Weiß.
Ich war völlig verblüfft, denn es war eindeutig ein Grau und kein Weiß und ich wunderte mich darüber, dass er das dennoch behauptete. Als ich ihn dann fragte, wie er denn dazu komme, zu behaupten, dass das Weiß sei, antwortete er mir: Es steht auf der Packung“.

Diese Szene ist nun über 20 Jahre her, aber sie brannte sich mir unauslöschlich in meinem Kopf ein, weil mir hier wieder einmal mehr bewusst wurde, welche Macht ein geschriebenes Wort hat.
Anstatt seinen eigenen Augen zu trauen, betrachtete er den Hersteller der Paneele als höhere, alles wissende Instanz, die „Weiß“ auf die Packung schreibt und es deshalb einen höheren Stellenwert hat, als das eigene Auge. Der Freund war sogar bereit gewesen, sich mit mir zu streiten, nur um dem geschriebenen Wort auf der Verpackung der Paneelen den Vorzug über seine eigene Wahrnehmung einzuräumen.

Was ist es nur, was dem geschriebenen Wort so viel Macht über uns verleiht? Wieso trauen wir uns selbst nicht mehr und halten immer nur das für richtig, was andere uns vorkauen?